Reportage

KulturRamadan

Traditionelles Fastenbrechen in Neu Delhi ©shutterstock.com/Manish Jaisi

Weltweit beginnt für Milliarden Muslime am Abend des 02. April 2022 der Ramadan, der traditionelle Fastenmonat. Ob in der Türkei, Aserbaidschan, Ägypten, Mali, dem Senegal, Indonesien, Deutschland oder Bosnien, er wird rund um den Globus praktiziert.

Der Glaube

Es ist ein tief verwurzeltes Ritual des Islams, stellt eine der fünf tragenden Säulen dar, der Ramadan. Dieser neunte Monat des islamischen Mondkalenders wird Gottesmonat genannt, markiert jedes Jahr den Zeitraum zwischen zwei Neumonden. Nach unserer Zeitrechnung verschiebt er sich deshalb jedes Jahr um 10 Tage nach vorne. Dieses Jahr beginnt er am Abend des 2. April und endet am 2. Mai 2022 mit dem ausschweifenden, dreitägigen Fest »Eid al Fitr«.

Je nach Land, Region und Strömung gibt es mitunter starke Unterschiede in der Art, wie der Ramadan praktiziert wird oder aus welchen Gründen man ihn begeht. Denn wie auch im Christentum haben sich über Jahrhunderte verschiedenste Strömungen und Untergruppen herauskristallisiert: Da gibt es Schiiten und Sunniten, Aleviten, Sufis und Salafisten, Drusen und Zaiditen. Mehrheitlich vertrauen sie alle auf Allah, dem Propheten Mohammed kommen jedoch unterschiedliche Rollen zu. Als heilige Schrift bezieht man sich auf den Koran (»al-Qurʾān«‚ die Lesung), die Offenbarung Allahs. Wie aktuelle Beispiele des islamischen Staates zeigen, kann die im Kern friedliebende wie tolerante Religion erschreckend interpretiert werden. Der Koran besteht aus 114 Suren, man könnte sie als Kapitel bezeichnen, als thematisch geschlossene Einheiten. Ein Beleg für das Praktizieren des Fastenmonats findet sich schon zu Beginn:

„Der Monat Ramadan ist es, in dem der Koran als Rechtleitung für die Menschen herabgesandt wurde und als klarer Beweis der Rechtleitung und der Unterscheidung. Wer also von euch in dem Monat zugegen ist, der soll in ihm fasten. Und wer krank ist oder sich auf einer Reise befindet, soll eine Anzahl anderer Tage fasten – Gott will es euch leicht, er will es euch nicht schwer machen.“

(Sure 2, Vers 185, Koran)

Die Umsetzung

Leitende Motive sind Vergebung, Reinigung, Erlösung, Almosengabe, Barmherzigkeit, Geduld, Segnung oder die Erziehung des Geistes. Gemeinhin wird von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang auf Nahrung, Trinken und Genussmittel jedweder Art verzichtet. Stattdessen solle die Zeit spirituell genutzt werden, für Glaubensstudium, Praxis und Gebet - auch hier variieren Strenge und Auslegung. Am Ende des Tages gibt es ein festliches Mal, das »Iftar«, was eigentlich so viel wie Frühstück bedeutet. Man sucht dabei bewusst die Glaubensgemeinschaft, ob in der Familie, der Moschee oder anderen öffentlichen Orten.

Man ist sich bewusst: Spielerisch ist das Ganze nicht zu bewältigen und das kann an der entsprechenden Stelle des Korans gelesen werden. Die Begleiterscheinungen, wie zum Beispiel starke körperliche Erschöpfung durch stundenlangen Verzicht, sind mitunter weder tragbar noch gesund. Ausschlaggebend für die Entscheidung des Fastens ist die körperliche, seelische und psychische Verfassung, Geschlechtsreife sowie individuelle Lebensumstände. Allgemein spricht man davon, dass Kinder, Schwangere, Reisende, menstruierende Frauen, alte und kranke Menschen ausgenommen sind.

Die Rolle der Dattel

Ein wiederkehrend auftauchendes Nahrungsmittel ist die Dattel: Zusammen mit einem Schluck Milch oder Wasser leitet sie einerseits nach 30 Tagen das große Fastenbrechen ein. Andererseits wird sie häufig am Ende eines jeden Tages, zu Beginn des »Iftars« zu sich genommen. Der Grund ist physiologisch betrachtet sinnvoll und nachvollziehbar: Datteln sind reich an Zucker und Ballaststoffen, enthalten Vitamine und Mineralstoffe, sind eine ideale Quelle, um erschöpfte Energiereserven rasch aufzufüllen. Heute gibt es in europäisierten Regionen sogar einen Ramadan Kalender, quasi ein Pendant zum christlichen Adventskalender. Ein weniger traditionelles Produkt, das man in muslimischen wie arabischen Geschäften vergeblich sucht. Gefüllt sind sie mit schokoummantelten Datteln und einer schriftlichen Aufmunterung. Bewährt hat sich bei „Türchen 1“ das Wort »sabr«, es steht für Geduld.

Sinn und Zweck des Ganzen: Offiziell soll das Durchhalten erleichtert werden, inoffiziell kann es als Zeichen der Integration gewertet werden. Ob positiv oder negativ liegt wohl im Auge des Betrachters.

Allein in Deutschland schätzt man die Anzahl der Muslime mittlerweile auf knapp 6 Mio. Menschen. Ein Verständnis des Ramadans als wesentliche spirituelle Praxis des Islams unterstützt interkulturelle Kommunikation und ein harmonisches Zusammenleben.

Autorin: Lea Katharina Nagel 

Nach oben