Über die Frage, was einen Ort, eine Stätte oder ein Gebäude zur Sehenswürdigkeit macht, haben sich schon viele Touristiker und Psychologen den Kopf zerbrochen. Relativ einig sind sie sich bei den Zutaten, die es dafür braucht. Man nehme zunächst eine attraktive Kulisse, ein schönes Bauwerk oder einen malerischen Ort – davon gibt es etliche in der näheren und weiteren Umgebung. Der Oberknaller ist natürlich eine Kombination aus schönem Bauwerk und toller Kulisse. Oder malerischem Ort mit fantastischem Panorama.
Nun braucht es noch die geeignete Infrastruktur. Denn Menschen statten in der Regel nur den Orten einen Besuch ab, die leicht mit ihren Reiseplänen zu verbinden sind. Eine einfache Erreichbarkeit, die zudem erschwinglich ist, ebnet hier den Weg zur Sehenswürdigkeit. Zuletzt braucht es noch etwas Werbung – der betreffende Ort muss möglichst oft im Kopf des potenziellen Besuchers landen, damit er ihn als „sehenswert“ wahrnimmt. Ein medialer Hype in der Zeitung oder via Instagram befeuert die Neugier: Was ist wirklich dran an den tollen Geschichten?
Apropos Geschichten: Auch das verhilft so einigen belanglosen Stätten zu unglaublichem Ruhm. Sobald es eine Story zu dem betreffenden Ort gibt, sich eine Legende um ihn rankt, wirkt das wie ein Brandbeschleuniger. Als Beispiel sei nur mal der angebliche Balkon von Romeo und Julia in Verona genannt, ein kleiner, schlichter Anhang eines steinernen Hauses. Dass es in Shakespeares Theaterstück gar keinen Balkon gab (der zu seinen Zeiten auch völlig unüblich gewesen wäre), stört die Besucher kaum. Allein der romantischen Geschichte wegen sind sie bereit, Eintritt zu zahlen und sich einen Balkon anzusehen, wie er überall sonst in der Stadt zu sehen sein könnte.
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von Solveig Michelsen