Portugal Madeira – Wandern auf der Blumeninsel im Atlantik

Ein ganzjähriges Wanderziel, noch dazu mit einer großen landschaftlichen Vielfalt, von Deutschland im Direktflug in rund vier Stunden erreichbar – das lässt aufhorchen. Wer Madeira kennt, denkt sofort an die unzähligen Levadas, üppige und bunte Botanik sowie angenehme (Wasser-)Temperaturen.

Madeira lockt Wanderer mit üppiger Vegetation, einem gut ausgebauten Wegenetz und spektakulären Ausblicken. | © Cristian Mircea Balate, Shutterstock

Levada-Wanderungen

Die Bewohner der atlantischen Insel haben sich schon früh zu helfen gewusst: Ein feines Netz an künstlichen Wasseradern überzieht Madeira seit vielen hundert Jahren – die Levadas – und stillt damit nicht nur den Durst zahlreicher Nutzpflanzen, sondern hat mit den parallel verlaufenden Wartungswegen auch ein spannendes Wandernetz erschaffen, das in dieser Form einzigartig ist. Über viele Generationen hinweg sind mehr als 2000 Kilometer der kleinen Kanäle zusammengekommen; die meisten sind etwa einen halben Meter breit und bis zu einem Meter tief, nicht immer gefüllt. Denn die über 100 Levadeiros der Insel sorgen dafür, dass man an den festgelegten Tagen die einem zugeteilte Wassermenge auf die Felder bekommt, wofür mal in die eine, mal in die andere Richtung geleitet werden muss.

 

Für Wanderer attraktiv ist allein schon die Tatsache, dass an einem plätschernden Wasser entlang spaziert werden kann – und das mit einem recht sanften Gefälle bzw. Anstieg. Lediglich die Verbindungswege zwischen den Levadas sind steil und werden meist mit etlichen Steinstufen überwunden. Doch der Lohn der Mühen ist groß: Üppige, bunte Blumenpracht so weit das Auge reicht, in größeren, nebligeren Höhen sind es dann mit Moosen und Bartflechten behangene Lorbeerbäume, Baumfarne und Sträucher, weiter unten Wein, Bananenstauden oder Süßkartoffelfelder. Nach einer Zeit, in der alles rosa geblüht hat (Amaryllis belladonna), folgt die rote Phase (Weihnachtsstern), die in Orange (Feuerbegonie) übergeht und schließlich mit Blau anschließt (Hortensien und Natternkopf). Die 140 nur in Madeira heimischen Pflanzenarten werden noch von zahlreichen eingeführten Zierblumen ergänzt – Bougainvillea, Hibiskus oder Strelitzen –, die nicht selten entlang der Levadas gepflanzt worden sind. Jede Jahreszeit bringt eine neue Farbenpracht hervor, sodass sich Madeira immer wieder von einer anderen Seite zeigt.

 

Die Wanderungen reichen dabei von einfachen Spaziergängen durch die Hinterhöfe und kleinteiligen Anbaugebiete der Anwohner über dschungelartige Touren im üppigen Grün bis hin zu verwegen in den Fels gehauenen Pfaden, die den Begehern unter Umständen große Trittsicherheit abverlangen, wenn auf feuchten und bemoosten Mäuerchen balanciert werden muss. Etliche Kilometer sind offiziell als Wanderweg ausgeschrieben und markiert – diese finden sich auch im empfehlenswerten Rother-Wanderführer, der obendrein die Crème de la crème als „Top-Touren“ klassifiziert. Die weniger touristischen muss man sich hart erarbeiten (viel Zeit zum Verlaufen einplanen!) – oder man schließt sich einer geführten Tour an (siehe Tipp unten)

 

Mystische Stimmungen und Dschungelatmosphäre

Nicht immer siegt die subtropische Sonne über den Inselnebel. Dann ist es Zeit für eine Wanderung im Grünen. Schließlich hat die Vegetation der hohen Luftfeuchtigkeit so einiges zu verdanken. Zum Beispiel den UNESCO-gelisteten Lorbeerwald, der einst die komplette Insel bedeckt hat. Die heute noch übrig gebliebenen Baumgreise auf der Hochebene Paul da Serra sind als Weltnaturerbe klassifiziert und geben mit ihren knorrigen Formen hervorragende Spukgestalten im Nebel ab. Dazwischen haben die Kühe das Gras kurz gestutzt, sodass es sich bequem von Baum zu Baum spazieren lässt. Ein jeder sieht anders und einzigartig aus. Wenn die Wolken tief hängen, sollte man eine solche Tour allerdings nur mit GPS (und Offline-Karten) angehen, denn selbst direkt neben der seit 2004 durchgehend geteerten Straße sind schon Leute verloren gegangen. Bei gutem Wetter lockt ca. 50 Minuten vom Forsthaus Fanal entfernt der Aussichtspunkt Miradouro, der weite Blicke über die Nordküste verspricht.

 

Das saftige Grün gibt es auf Madeira noch in anderer Form: Exotische Dschungelvegetation macht zahlreiche Wanderungen zum besonderen Erlebnis. Zum Beispiel die Königslevada, die „Levada do Rei“. Auch hier wird man von Lorbeerwald in das schöne Tal des Ribeiro Bonito begleitet, allerdings überwiegen die Farne, die mal baumhoch wie ein Schirm, mal winzig aus einem Mauerloch sprießend die Fruchtbarkeit unterstreichen. Über 70 Farnarten begegnen einem auf Madeira; auch der schnell wachsende und omnipräsente Eukalyptus trägt zum grünen Gesamteindruck bei. Selbst die Steine haben sich mit den Moosen eine grüne Farbe gegeben, sodass den größten Kontrast hier das Wasser bildet – in der Levada, aber auch als Wasserfall oder Badegumpe.

 

Von felsig bis karg

Madeira wäre nicht Madeira, wenn es nicht auch anders könnte. Das sonnenverwöhnte und windumtoste Ostkap, die Halbinsel São Lourenço, präsentiert sich als genaues Gegenteil. Zumindest im Sommerhalbjahr, wenn von grünem Rasen nichts zu sehen ist und das trockene, braune Gras mit den rötlichen Felsen harmoniert. Ein gepflasterter, zu beiden Seiten mit Seilen abgesteckter Wanderweg führt vom letzten anfahrbaren Punkt (Baía d'Abra, sehr gut öffentlich erreichbar mit Bus 113) in etwa einer Stunde zum Casa do Sardinha. Hier kann man seinen Feuchtigkeitsvorrat wieder auffüllen und überlegen, welche der Optionen am attraktivsten ist: Weitere 20-30 Minuten, allerdings in steilem Aufstieg, bringen einen zum letzten Aussichtspunkt Morro do Furado. Weiter östlich gibt es nur noch den Leuchtturm auf der Ilhéu do Farol und die unbewohnten Desertas-Inseln. Als Alternative steht eine Abkühlung am kleinen Steinstrand Cais do Sardinha auf dem Programm, der hier über wenige Abstiegsmeter zu erreichen ist. Eine kleine Leiter erleichtert den Einstieg in die Wellen, die hier weniger heftig sind; auch per Boot kann man sich von diesem Punkt aus zurückbringen lassen.

 

Der Tatsache, dass Madeira seine Existenz einem Vulkan zu verdanken hat, der vor rund 20 Millionen Jahren sein Innerstes nach außen gekehrt hat, wird man sich am ehesten im zerklüfteten zentralen Gebirgskamm bewusst. Wilde grüne Schluchten und scharfe, üppig bewachsene Felsgrate prägen das Bild rund um die höchsten Gipfel. Die sich allerdings ein wenig bitten lassen. Sprich, nur an ausgewählten Tagen den Blick freigeben auf ihre ungezähmten Spitzen und Zacken. Eine der schönsten Wanderungen, um das Herz der Insel kennen zu lernen, ist der fast durchgängig gepflasterte Verbindungsweg zwischen dem Pico do Arieiro (1818 m) und dem Pico Ruivo, mit 1862 Meter der höchste Punkt Madeiras. Über steile Treppen und durch finstere Tunnel führt ein rund sechs Kilometer langer Pfad im steten Auf und Ab, der sich für Hin- und Rückweg auf insgesamt 1000 Höhenmeter summiert. Trotz der Anstrengung, die das kostet, ist die Tour sehr gut besucht. Schnelle Läufer, die sich gut einschätzen können, verlegen die Wanderung deshalb auf die zweite Tageshälfte oder starten gleich nach dem Hellwerden. Die Aus- und Tiefblicke sind wahrlich beeindruckend, Madeira nirgendwo wilder.

 

Allgemeine Tipps: Wer Madeira auf eigene Faust zu Fuß erkunden möchte, sollte unbedingt auf einen Mietwagen zurückgreifen – oder in Taxis investieren. Die wenigsten Wanderziele sind öffentlich erreichbar. Weiter oben in den Bergen kann es schnell kühl und feucht werden – Regen- und warme Sachen müssen unbedingt mit ins Gepäck, auch wenn es an der Küste subtropisch warm sein mag. Das Wetter ändert sich zudem sehr schnell. Meist hängen die Wolken auf der Inselnordseite und an den höheren Gipfeln – gelegentlich ist es aber auch umgekehrt. Dann lohnt sich ein Blick vorab auf eine der Webcams (www.madeira.net). Mit viel Sonne gesegnet sind die Gegenden ganz im Osten bzw. ganz im Westen. Tagesaktuelle Sperrungen der Wege findet man auf www.visitmadeira.pt (unter „nützliche Infos“) – diese kommen wesentlich häufiger vor als z.B. in den Alpen.

 

Weltweitwandern: Natürlich kann man die Levadas auch auf eigene Faust mit Hilfe einer App erkunden, doch wer sich auf unbekannteren Wegen durch ein authentisches Madeira bewegen will, ist mit einer geführten Tour gut beraten. Christa Dornfeld-Bretterbauer führt für den Reiseveranstalter Weltweitwandern Gruppen durch mühsam beackerte Steilfelder, liebevoll bepflanzte Gärten und auf nirgends verzeichneten Wegen. Ihr botanisches Wissen bereichert jeden Blumenliebhaber und ein Schwätzchen mit den Locals bringt interessante Alltagsgeschichten zutage. Weltweitwandern hat für Madeira noch weitere Programme unterschiedlichen Niveaus im Angebot, sodass auch ambitioniertere Wanderer Erfüllung finden (z.B. auf der Inseldurchquerung).

 

Unterkunftstipp: Die Quinta dos Artistas oberhalb von Santa Cruz wird von den Weltweitwandern-Gruppen genutzt, ist aber auch privat buchbar. Sie ist Haus gewordener Lebenstraum von Christa und ihrem Mann Gerald, die zusammen mit ihrem Sohn Raimund die familiäre Unterkunft betreiben. Liebevoll eingerichtete Wohneinheiten, ein eigener Bio-Gemüseanbau und ein Infinity-Pool über dem Atlantik dosieren Einfachheit und Luxus in einem so angenehmen Maße, dass man den Urlaub hier gerne noch ein paar Tage verlängert.

 

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von Solveig Michelsen

 


Die Reise nach Madeira wurde unterstützt vom Reiseveranstalter Weltweitwandern.

 

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