Die Schlernhexen
Der Schlern ist unter den Dolomiten-Bergen am einfachsten zu erkennen: Von der Seite gesehen verrät ihn seine flache, plateauartige und kompakte Gestalt, die vorne von mehreren wild abgespaltenen Felstürmen gekrönt wird. Von der Seiser Alm aus, Europas größte Hochalm, wird diese Seitenansicht noch durch prachtvolle Blumenwiesen gerahmt, weshalb dieses Bild in kaum einem Dolomiten-Kalender fehlen wird. Doch ist der Schlern nicht nur für seine liebliche Idylle bekannt, sondern auch für die heftigen Gewitter, die auf und um ihn toben. Dafür konnte es damals nur eine übernatürliche Erklärung geben: Die Schlernhexen, auch als Wetterhexen bekannt, mussten es sein, die dort oben ihr Unwesen trieben. Um sie in Schach zu halten, wurde (und wird) eine christliche Wetterglocke geläutet, die sie vertreiben sollte.
Auch ohne die Hexen ist das weite Wiesenplateau hinter dem Schlerngipfel (2515 m) ein ganz besonderer Ort. Wer dort hinaufkommt, wundert sich nicht, wenn er erfährt, dass es sich um eine Sonnenkult- und Brandopferstätte handelt, deren Spuren mindestens 5000 Jahre in die Vergangenheit reichen. Schon in der Bronzezeit verehrten und fürchteten die Menschen den Gipfel. Heute ist vor allem das Staunen übrig geblieben über die ungebrochene Kraft der Natur in einer technisierten und entmystifizierten Welt. Doch das will erarbeitet werden: Gute drei Stunden sollte man für den kürzesten Anstieg von der Seiser Alm aus einplanen.
Wer mehr über Kultplätze, geheimnisvolle Orte und ihre Wirkung rund um Seis am Schlern erfahren möchte, geht mit Michael Trocker auf eine Kraftplatz-Wanderung. Der Fotograf und Wanderführer leitet auch das Hotel Artnatur Dolomites und lässt seine Gäste an seiner magischen Sicht auf die Natur teilhaben.
König Laurins Rosengarten
Eine zweite sehr berühmte Dolomiten-Sage findet sich im angrenzenden Gebirgsstock, dem Rosengarten. Der ungewöhnliche Name rührt vom feuerroten Alpenglühen her, das weit über die lokalen Grenzen hinaus bekannt geworden ist. Früher soll der vom Zwergenkönig Laurin angelegte Rosengarten Tag und Nacht in sattem Rot geleuchtet haben – bis er ihn eigenhändig verwünschte, nachdem ihn die Bewegung der Rosenbüsche trotz Tarnkappe verraten hatten. Doch da König Laurin vergessen hat, den Fluch auf die Dämmerphase zu erstrecken, ist den Menschen das ergreifende Abendrot auf den Felsen erhalten geblieben.
Auch tagsüber übt der Rosengarten mit seinen vielen spitzen Felszacken eine magische Wirkung auf Wanderer und Bergsteiger aus. Die einen umrunden ihn und lassen sich auf den Hütten unterwegs lecker verköstigen, während die Ambitionierteren über zwei Klettersteige – den Rotwand-Steig (B) und den Masaré-Klettersteig (C) – den Gratverlauf physisch nachempfinden können: Auf und Ab geht es da über Grate und Türmchen sowie durch Schluchten und Spalten.
Den besseren Blick auf das Massiv hat man freilich von gegenüber. Die Wanderung durch die Bärenfalle, eine steil eingeschnittene Bachschlucht, zählt zu den landschaftlich reizvollsten Touren in der Gegend. Wer trittsicher und schwindelfrei ist, kann sie zum Gipfel der Hammerwand verlängern. Von diesem vorgelagerten Felsen hoch über dem Eisacktal ist man auch dem Schlern wieder ganz nahe – und sämtlichen Urgewalten und Kräften, die diese Berge geformt haben.
Übernachtungstipps:
Artnatur Dolomites****, Seis am Schlern: Stilvolles Hotel im Zentrum von Seis mit sehr angenehmem, natürlichem Ambiente. Auch Singles fühlen sich hier gut aufgehoben. Hotelier Michael Trocker nimmt seine Gäste persönlich mit auf Kraftplatz- und Atem-Wanderungen. Der „Kraftplatz“ im Tal am Fuß des Schlern. Belvita- und Wanderhotel.
Cyprianerhof*****, St. Zyprian: Nicht nur der Glaskubus der Panoramasauna setzt die Spitzen des Rosengartens gekonnt in Szene – es gibt kaum einen besseren Ort, um das glühende Abendrot zu beobachten, das die bleichen Berge für kurze Zeit in mystische Gestalten verwandelt. Wenn einem der Barmann dann noch Tipps und Kniffe für einen Klettersteig mitgibt, weiß man, dass man die perfekte Kombination aus Wandern und Wellness gefunden hat. Belvita- und Wanderhotel. www.cyprianerhof.com
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von Solveig Michelsen
Die Recherchereise wurde unterstützt von den Hotels Artnatur Dolomites und Cyprianerhof.