Unsere AutorenNicolas Stockmann
Nicolas Stockmann ist für DuMont Reise unterwegs in Brasilien.
Co-Autor der DuMont-Reiseführer:
Was hat Sie zum Reisen gebracht?
Die Lust auf Reisen und neue Umgebungen habe ich schon in der Kindheit erlernt: Aus beruflichen Gründen sind meine Eltern mit mir und meinem Bruder häufig von einer Stadt in die nächste gezogen. Anfangs fand ich das noch nicht so toll, aber ich habe früh gemerkt, dass ich mich in einem neuen Umfeld schnell zurechtfinden und neue Freundschaften schließen kann. Später zog mich mein Fernweh dann in sämtliche Erdteile, angefangen von Europa, über Nordamerika und dann zu immer exotischeren Zielen in Asien, Ozeanien, Afrika sowie Mittel- und Südamerika. Durch die vielen positiven Erfahrungen unterwegs, insbesondere im Austausch und Kontakt mit den Menschen vor Ort, verstärkte sich meine Reiseleidenschaft immer mehr.
Wie kam es zu Ihrem ersten Reiseführer bei DuMont?
Es begann eher zufällig. Nach dem Studium hatte ich vor, eine Weltreise zu machen und wandte mich an die Redaktion des damaligen Stefan Loose Verlags, deren Reiseführer inzwischen zu DuMont gehören. Meine Idee war es, durch meine damals schon vorhandene Landeskenntnis an einem Brasilien-Reiseführer mitzuwirken und mir dadurch einen Teil der Weltreise zu finanzieren. Nach langen Gesprächen, dem Austausch vieler Mails sowie einiger Leseproben wurde mir dann sogar die Koordination des gesamten Buches angeboten. Das war einfach ein unwiderstehliches Angebot. So rutschte ich recht unvermittelt in die Reisejournalismusbranche – und habe es bis heute nicht bereut. Auf die erste Auflage des Stefan Loose Travel Handbuchs Brasilien bin ich immer noch stolz. Es sollten viele weitere Brasilien- und Rio-de-Janeiro-Titel folgen, ein paar Jahre später dann auch bei DuMont, zusammen mit meinem Kollegen Helmuth Taubald, mit dem ich seit vielen Jahren ein eingespieltes Team bilde.
Was interessiert Sie am Reiseführerschreiben?
Mein Ansatz ist eigentlich ein humanistischer. Ebenso wie ich glaube, dass jedem Menschen Positives und Interessantes innewohnt, so gehe ich auch bei Reisezielen davon aus. Es macht mir keinen Spaß, die negativen, unansehnlichen Seiten in den Vordergrund stellen, auch wenn sie zweifellos fast überall auf der Welt existieren und man sich darauf fokussieren könnte. Viel lieber nehme ich die Herausforderung an und forsche nach den versteckten Qualitäten, die ein Reiseziel zu bieten hat, oftmals nur nicht auf den ersten Blick. Dabei entdecke ich manchmal tolle Überraschungen. Jede Stadt hat irgendetwas Schönes oder Interessantes zu bieten, man muss sich nur die Mühe machen, es zu suchen und offenen Auges dafür zu sein. Das ist mein Credo. Eine Stadt einfach nur in die Pfanne zu hauen, das macht mir keinen Spaß. Aber überraschende Entdeckungen, sei es auch nur ein traumhaftes Café oder ein aus dem Rahmen fallendes Restaurant, das teile ich gerne mit meinen Lesern. Insgesamt möchte ich einfach meine Freude, die ich an dem wundervollen Land Brasilien habe, mit möglichst vielen Menschen teilen und dazu beitragen, dass viele Urlauber ähnlich schöne Erfahrungen wie ich machen können.
Welche Beziehung haben Sie zu Brasilien?
Eine sehr intensive. Für mich ist Brasilien eines der spannendsten, aufregendsten und intensivsten Länder, die ich kenne. Sicherlich ist es auch eines der landschaftlich schönsten der Erde. Ich fühle mich eigentlich an jedem Ort Brasiliens zuhause, und das seit dem ersten Tag, an dem ich hier einen Fuß auf den Boden gesetzt habe. Es ist eine sehr besondere Verbindung zum Land, Brasilien übt auf mich, und übrigens auch auf viele andere Reisende, eine fast schon mystische Anziehungskraft aus, der ich gerne nachgehe. Insbesondere spüre ich diese Kraft im afrobrasilianischen Bahia, wo ich zuhause bin. Hier ist diese unbändige Energie, der Rhythmus und die Lebensfreude vielleicht am stärksten.
Was unternehmen Sie, wenn Sie nicht am Schreiben sind?
Zum einen versuche ich mit Reisen in andere Länder in Süd- und Mittelamerika meinen Horizont über den portugiesisch kolonialisierten Teil des Kontinents hinaus ständig zu erweitern. So war ich zuletzt unter anderem in Kolumbien und Kuba, zwei ebenfalls faszinierende und sehr schöne Länder. Auch Venezuela, Chile, Argentinien, Uruguay und einige andere habe ich von Brasilien aus schon bereist. Lateinamerika ist für mich ohne Frage die lebendigste und interessanteste, wohl auch die am meisten unterschätzte Reiseregion dieser Erde. Wenn ich mal nicht reise, genieße ich meinen kleinen Stadtstrand in Salvador, der übrigens als der historischste des Landes bezeichnet werden kann, oder zeige Gästen meine Heimatstadt www.salvador-insider.com.
Nach welchen Kriterien wählen Sie die Inhalte Ihrer Reiseführer aus?
Wir möchten gerne ein möglichst ursprüngliches Brasilien präsentieren, also Orte, an denen der Reisende nicht nur als ein anonymer Teil eines Massentourismus, sondern noch als Individuum wahrgenommen wird. In Brasilien ist es ideal, dass es ein großes landesweites Netz an sogenannten Pousadas gibt. Das sind meist privat geführte, eher kleinere Pensionen, oft im Stil eines Bed & Breakfast. Die Qualität dieser Häuser ist meistens sehr hoch und die Reisenden kommen hier viel besser und leichter in Berührung mit den Einheimischen als in einem großen Ketten- oder Businesshotel, von denen es natürlich auch viele gibt. Insgesamt wählen wir gerne Einrichtungen aus, wo wir eine Art „Human Touch“ verspüren, also zum Beispiel Betreiber, die sich besonders sympathisch um ihre Gäste kümmern oder sich im sozialen oder ökologischen Bereich engagieren. Dies sind angesichts der auch in Brasilien fortschreitenden Umweltzerstörung wichtige Kriterien bei unserer Auswahl. Betreiber, die in diesen Bereichen ebenso wie bei Komfort und Qualität einen hohen Standard haben, unterstützen wir gerne mit unseren Mitteln.
Was ist in Ihrem Koffer, wenn Sie nach Brasilien fahren?
Auf jeden Fall sollte man immer reichlich Sonnencreme dabeihaben.
Und was ist in ihrem Koffer, wenn Sie zurückkommen?
Während meiner ersten Reisen waren das immer viele, viele Musik-CDs.
Was unternehmen Sie, wenn Sie die Recherche vor Ort beendet haben?
Nach dem Abschluss der Recherche-Reise beginnt der anstrengende Teil: das Sichten und Sortieren der unterwegs gesammelten Informationen, das Schreiben und schließlich das Kürzen, sowie die kartographische Arbeit und am Ende das Lektorieren. Das ist jedes Mal eine sehr intensive Aufgabe, die sich bei so einem großen Land über Monate hinzieht. Wenn am Ende wieder mal ein fertiges Buch vorliegt, schließe ich es sofort ins Herz. Zum Glück bekommen wir überwiegend positive Rückmeldungen, was mich natürlich umso mehr freut.
Ihr schönstes/beeindruckendstes Erlebnis während der Recherche?
Zu viele, um sie alle aufzuzählen, hier nur eins, das mir spontan einfällt: Das strahlende Lachen auf dem Gesicht eines Bettlers in Fortaleza, der sich in einem Stadtbus über ein paar Centavos und nette Worte der Fahrgäste freute wie ein kleines Kind. Eine meiner ersten eindrücklichen Beobachtungen in Brasilien, die mir einerseits viel über die Solidarität des brasilianischen Volkes zeigte: Der Busfahrer hielt extra für den Mann an und wartete geduldig ab, bis er es in den Bus geschafft hatte, viele Fahrgäste gaben etwas, obwohl sie ganz offensichtlich selbst auch nicht viel besaßen. Andererseits erinnerte mich die Episode auch an die Relativität des Zusammenhangs von Geld, Gesundheit und Glück. Ein derart offenes und geradezu strahlendes Lachen wie auf dem Gesicht dieses armen Mannes hatte ich in Europa irgendwie schon lange nicht mehr gesehen.
Sie bieten auch Führungen durch Salvador an. Wer sind typische Kunden von Ihnen? Wie verändert sich das Brasilien-Bild der Touristen durch Ihre Führungen?
Die Gäste meiner Stadtführungen in Salvador und Umland kommen meistens über meine Bücher und die Website www.salvador-insider.com auf mich zu. In aller Regel ist das Interesse an kulturellen und sozialen Themen besonders hoch, was mir ein gemeinsames Merkmal vieler DuMont-Leser zu sein scheint. Aufgrund der Rolle von Salvador als erster Hauptstadt der Kolonie und dem Einfluss der vielen aus Afrika verschleppten Sklaven gibt es natürlich etliche Fragen zur historischen Entwicklung, zu den afrobrasilianischen Wurzeln und zur Bedeutung Salvadors und des Bundesstaates Bahia, einer Region, die geschichtlich, kulturell und auch landschaftlich für Brasilien einzigartig ist. Ich selbst freue mich immer, wenn meine Gäste am Ende der Führung ein „Gefühl“ für die Stadt und ihre Menschen gewonnen haben. Wenn sie nach ihrer Rückkehr von Dingen berichten können, die von den üblichen Klischees abweichen, wie sie leider oft in den Massenmedien verbreitet werden. Wenn sie also zum Beispiel wissen, dass der brasilianische Karneval nicht nur in Rio stattfindet, sondern der viel größere und buntere in Salvador steigt, sogar ganz ohne Samba und ohne leicht bekleidete Tänzerinnen, stattdessen afrobrasilianisch geprägt, dann habe ich mein Ziel eigentlich erreicht. Im Grunde sollen die Führungen aber in erster Linie Spaß machen und auf angenehme Weise Salvador, Bahia und Brasilien nahebringen.
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