von Eva Gerberding und Annette Maria Rupprecht

Unterwegs in HamburgDurch die Speicherstadt

Luftaufnahme der Speicherstadt im Hamburger Hafen © Fabian Wentzel / istockphoto.com

Die denkmalgeschützte Speicherstadt ist der größte zusammenhängende Lagerhauskomplex der Welt. In die Gebäude im Stil neugotischer Backsteinarchitektur sind heute Museen und Medienunternehmen eingezogen.

Zeit: Ab 2 Std. bis zu einem ganzen Tag

Planung: Die meisten Museen haben tgl. 10–18 Uhr geöffnet, einige öffnen auch früher und schließen später.

Tipp: In den Hamburger Schulferien an jedem Sonntag um 10.30 Uhr bietet das Speicherstadtmuseum eine »Entdeckertour für Kinder« an. Eine spannende und unterhaltsame Führung für Kinder zwischen 6 und 12 Jahren in Begleitung Erwachsener (www.speicherstadtmuseum.de).

Ab 1888 mussten die Hamburger Reichszölle zahlen, weil sie in das deutsche Zollgebiet eingegliedert wurden. Um die Waren bis zum Wiederverkauf zollfrei zwischenlagern zu können, quartierte man kurzerhand 20 000 Einwohner um und riss das Hafenarbeiterviertel am Kehrwieder und Sandtorkai komplett ab, damit an seiner Stelle die Speicherstadt entstehen konnte. Lange Zeit war das Gelände südlich des Zollkanals abgeschottet, ein von Kanälen umflossener amphibischer Backsteinriegel, nur durch kleine Brücken mit der Stadt verbunden. In den mehrgeschossigen Lagerhauszeilen, mit Erkern, Türmchen, Zinnen und schmucken Giebeln verziert und mit unmittelbarem Wasserzugang, wurden Kaffee und Tee, Obst und Gewürze, Kautschuk und Tabak, Orientteppiche und andere Waren zwischengelagert. Von Booten und Schiffen wurden sie mit Winden hinauf- und durch die typischen Ladeluken hineinbefördert. Hunderte Firmen, die von Hafen und Handel lebten, hatten hier ihren Sitz, noch bis in die 1980er-Jahre hinein – und viele auch heute noch.

Heute ist die denkmalgeschützte Speicherstadt eine touristische Topattraktion. Neben der beeindruckenden Anlage selbst tragen die vielen in ihr untergebrachten Museen dazu bei.

Zum Wasserschlösschen

Wir beginnen unsere Tour am ›Rathaus‹ der Speicherstadt an der Ecke Bei St. Annen, das im Frührenaissancestil errichtet wurde. Das Gebäude beherbergt auch die Hamburger Hafen- und Lagerhaus-Aktiengesellschaft: ein auffälliges Gebäude von 1902/03 aus rotem Ziegel und Sandstein, mit grünem Kupferdach, Arkaden und einem Uhrtürmchen.

Dann führt der Holländische Brook, in dem übrigens Lessing in den drei Jahren seines Hamburger Aufenthalts lebte, zum Wasserschlösschen an der äußersten Spitze der Insel. Dort wohnten einst die Windenwächter, die für die Wartung der hydraulischen Speicherwinden zuständig waren. Den schönsten Blick auf dieses verwunschene Gebäude – mit dem Restaurant »Wasserschloss« – hat man während der abendlichen Illumination von der Poggenmühlenbrücke.

Schmucke Backsteinfassaden

Den schönsten Gesamteindruck von der Speicherstadt erhält man vom Boot aus, bei einer Hafenrundfahrt. Doch auch ein Spaziergang durch Alten Wandrahm und Zollstraße, Neuen Wandrahm und Brook bis zum Kehrwieder lohnt. Unterwegs kann man in etliche interessante Museen einkehren. Zuallererst in das Zollgebäude, direkt am Zollkanal gelegen, wo die repräsentative Schauseite der Speicherstadt Richtung Innenstadt zeigt. Das Deutsche Zollmuseum gibt Einblick in die Geschichte des Zolls ebenso wie die des Schmuggelwesens. Daneben liegt das Restaurant Schönes Leben. Am Ende des Alten Wandrahm befindet sich der »Dialog im Dunkeln«.

Wer den Philosophen Arthur Schopenhauer (1788–1860) kennt, wird sich bei Haus Nr. 92 im Neuen Wandrahm seiner erinnern wollen. Er verbrachte hier seine Kindheit, die nicht besonders glücklich verlief. Der Vater litt unter Depressionen und stürzte sich 1805 vom Speicher des Hauses.

Im Speicherblock Kehrwieder 2 befinden sich gleich zwei bei Besuchern besonders beliebte Museen. Hamburg Dungeon liefert eine Art historischer Gespensterschau, ein Gruselkabinett der Hamburger Historie, während Miniatur Wunderland mit der weltgrößten Modelleisenbahn und immerhin rund 12 km Schienennetz viele Eisenbahnfans anzieht und das meistbesuchte Museum Hamburgs ist.

... und noch mehr Museen

Richtung Kehrwiederspitze, wo bereits mit dem Hanseatic Trade Center ein moderner Bürokomplex von fünf Gebäuden mit 100 000 m2 Fläche entstanden ist, geht es dann in den Sandtorkai. In einem Speicherkomplex linker Hand ist Spicy’s Gewürzmuseum untergebracht: eine Ode an die Gewürze und Aromen aus aller Welt und an den Gewürzhandel.

Ein Museum zum Anfassen und Riechen

Wer seine Kenntnisse über den Lagerhauskomplex vertiefen möchte, kommt nicht umhin, am Sandtorkai das Speicherstadtmuseum (www.speicherstadtmuseum.de) aufzusuchen. Im authentischen Lagerhaus sind typische Waren und Arbeitsgeräte ausgestellt, die in der Speicherstadt benutzt wurden und werden, zum Beispiel Kaffeesäcke, Teekisten und Kautschukballen. Fotos und andere Exponate dokumentieren die Geschichte der Speicherstadt. Das Museum veranstaltet auch Führungen und Wechselausstellungen.

Vom Kesselhaus zum InfoCenter

Ein Stück weiter erkennt man das Kesselhaus an den Metallsimulationen der beiden Schornsteine. Im historischen Backsteinbau befanden sich einst die Dampfmaschinen der Speicherstadt. Heute wird hier über die Zukunft von HafenCity und Speicherstadt informiert, u.a. anhand eines imposanten Modells der geplanten HafenCity. Darüber hinaus bieten mehrere Wissensstationen Informationen, auch Führungen beginnen hier.

Kulturerlebnis Speicherstadt

Seit einigen Jahren wird die Speicherstadt beleuchtet. Dank der Lichtkonzeption von Regisseur und Autor Michael Batz verwandelt sich der historische Komplex auf 1,5 km Länge in ein faszinierendes nächtliches Panorama. Michael Batz hat aber nicht nur Licht in die Speicherstadt gebracht, sondern auch den »Hamburger Jedermann« – ein Open-Air-Spektakel, das jeden Sommer am Brooksfleet vor der großartigen Kulisse der historischen Lagerhäuser gezeigt wird.

aus: DuMont Reise-Taschenbuch Hamburg. Eva Gerberding und Annette Maria Rupprecht


Nach oben