Trend Renaissance des Campings: Warum jetzt?

Mit dem Bulli durch Europa ©Art Konovalov/Shutterstock

Die Corona-Pandemie und ökologische Herausforderungen haben unser Selbstverständnis von Reisen und Globalität auf den Kopf gestellt. Eingeschränkte Reisefreiheit war ein Begriff, der viele Weltenbummler und Reisefreudige vor Herausforderungen gestellt hat – doch so durften Camping und Naherholung eine Renaissance erleben.  Was macht diese Form des Reisens eigentlich zu einem so zeitlosen Klassiker? Ein paar mögliche Antworten:

 

Back to the roots: Zu den Ursprüngen

Die Ursprünge des Campens im europäischen Raum sind eng mit der Wanderbewegung des 19. Jahrhunderts verbunden, schon Goethe ließ vermerken „nur wo du zu Fuß warst, bist du auch wirklich gewesen“. Mit dem Zelt und wenigen Habseligkeiten in und mit der Natur zu leben ist, historisch betrachtet, jedoch nicht an Jahreszahlen festzumachen – diese Sehnsucht nach Auszeit und Minimalismus reicht lange in die Menschheitsgeschichte zurück. Ein deutlicher Aufschwung als von Camping als bewusstem Reiseverhalten lässt sich nach den beiden Weltkriegen beobachten: Die Menschen, erschüttert und gezeichnet, sehnten sich nach Erholung, Freizeit und der heilenden Wirkung der Natur. Da bot Camping eine kostengünstige und unkomplizierte Möglichkeit. Die Erfindung des Wohnmobils – damals noch als Wohnauto bezeichnet – fällt genau in diese Zeit. 1931 wurde es von dem Deutschen Aris Dethleffs als Liebesgeschenk an seine Ehefrau konstruiert. Hier wird deutlich, es geht nicht nur um Urlaub, sondern auch um Gefühle, Sehnsüchte und Träume.

 

Worin liegt heute die Faszination?

Individualität und Freiheit – Camping ist die Reiseform für Individualisten, ist Reisen nach der eigenen Fasson: Jeder und Jede kann von dem Fortbewegungsmittel über die Schlafvorlieben bis hin zum Ablauf der morgendlichen Dusche selbst entscheiden, was er, sie oder was man gemeinsam möchte. Kann entscheiden ob mit dem Zug, Fahrrad, zu Fuß oder dem eigenen Bus gereist werden soll. Kann entscheiden, ob Gesellschaft oder Einsamkeit vorgezogen wird. Kann entscheiden, ob Zelt, Wohnwagen oder Wohnmobil das temporäre Zuhause wird. Camper genießen die persönliche Freiheit, genießen das Leben ohne feste Zeiten, ohne viele Regeln und in der heutigen Zeit ist für jeden Gelbeutel und jeden Anspruch etwas Passendes dabei.

 

Naturerlebnis – Einstein soll einst gesagt haben: „Schauen Sie tief in die Natur und Sie werden alles besser verstehen“ – Camping bietet eine einzigartige Nähe zur Natur. Selten ist man heute Feld, Wald und Wiese, Küste, Meer und Tieren in ihrem natürlichen Lebensraum über einen längeren Zeitraum so nah. Selten spürt man noch diese verbindende Magie. Ob ein atemberaubender Sonnenuntergang am Horizont, ein ohrenbetäubendes Donnergrollen, das leuchtende Grün einer Wiese oder die schlichte Kargheit eines abgemähten Feldes. Farben und Geräusche wirken beruhigend und entschleunigend auf uns. Zum Einschlafen brauch es somit keine Spotify-Playlist – „nature sounds“ gibt es ohne Abonnement, for free und nicht aus Kopfhörern.

 

Auszeit und Digital Detox – Was wieder den Ursprungsgedanken aufbringt: Camping realisiert eine besondere Form der Auszeit, der Besinnung und der bewussten Reduktion auf Wesentliches. Abseits von den Hektiken des Alltags, beruflichen Verpflichtungen oder privaten Sorgen. Heute ist ein Leben ohne Smartphone und Laptop kaum denkbar, Social Media und Nachrichten sind immer mit dabei. Ob es der schnelle Blick ins Email-Postfach ist, die nächste Amazon Bestellung oder das Posten des Abendessens. Wir sind daueronline und dauergeschäftig. Als Gegenbewegung stolpert man deshalb nun nicht selten über den Begriff der digitalen Auszeit, des Digital Detox. Dabei geht es um eine geplante Form Abstand zur hektischen Welt des Digitalen zu bekommen. Das Schöne, Camping macht es hier denkbar einfach, im wahrsten Sinne des Wortes, abzuschalten. Natur und Freiheit und im besten Fall – kein Empfang sind ungeahnt effektiv Helfer. Denn mit Womo und Zelt unterwegs zu sein, nimmt die Entscheidung, auf Überflüssiges zu verzichten, einfach ab. Camping ist – gezwungenermaßen - Reduktion. Es gilt nur so viel mitzunehmen, dass das eigene Wohlbefinden sichergestellt ist. In einer Welt voller Ablenkung und allzeitlicher Verfügbarkeit ist diese Ruhe und gelebter Minimalismus heilsam.

 

Vielfalt an Möglichkeiten – Schlussendlich sind Camping und Campen aber weitläufige Begriffe, persönlich definiert und können nicht in Schubladen gesteckt werden. Denn die Möglichkeiten des heutigen Campens sind geprägt von technischen Neuerungen, luxuriöse Gagets, angereichert durch kreative und innovative Ideen. Ob Solarmodule oder hochwertiges Edelstahl-Kochequipment, plastikfreie und biologisch abbaubares Grillzubehör oder chemiefreie Seifen, High-End Duschen, tragbare Espressomaschinen oder ein Campingstuhl mit Massagefunktion:  Komfort und nachhaltigkeit bekommen in der Branche verstärkt Aufmerksamkeit, Camping wird und wurde kritisch hinterfragt, aber es muss auch nicht mehr auf alles verzichtet werden. Immer häufiger fallen Begriffe wie Glamping, Zero Waste-, Adeventure- oder Eco-Camping. Die modernen Strömungen führen wiederum zurück zu den Ursprüngen – mit der Natur zu leben, sie wertzuschätzend und seine persönliche Freiheit zu leben.

 

Autorin: Lea Katharina Nagel

 

Nach oben