ErlebnisDas beste »Deutsche«

TIM RAUE, Berlin, Rudi-Dutschke-Straße © www.sternenfresser.de

Das Restaurant TIM RAUE gilt als die Nummer 1Erfahrung, wenn es in Deutschland um Kulinarik geht. Das Portrait des Schöpfers ist nicht minder eine Empfehlung.

 

Die Anfänge

 

Anfang der 30er Jahre. Berlin ist neben Paris Weltmetropole der Gastronomie. Amüsement, Ausgehen, man sparte nicht. Genoss das Leben. Spürte, fühlte, lebte, atmete, tanzte. Dann kam der Krieg. Die Welt schien dem Erdboden gleich. Zerstörung, Grau, Feuer und Asche. Danach: Es gab keine frischen Zutaten mehr, es galt auf die Beine zu kommen. Aufzubauen, sich durchzuschlagen, Trümmer vergangener Zeiten wegzuräumen. Nur langsam erschien wieder Sonne am Horizont. Bucheckern wurden notdürftig zu Öl verarbeitet („Eckerle sammeln“), Brot, Zucker, Salz, Fett, Grütze – alles wurde portioniert. Man begann Obst und Gemüse selbst anzubauen. Es war karg. 

Nun, knapp 70 Jahre später, 2022. Berlin lebt kulinarisch wieder auf und hat einen neuen Stern: TIM RAUE. Der Name ist Programm. Das Restaurant sowie sein Erschaffer gelten als die beste Adresse Deutschlands. Nicht um zu essen: Um zu erfahren.

Tim Raue wuchs in Kreuzberg auf, in Gewalt, Armut, ohne Liebe. Wurde selbst gewalttätig, vom „Opfer zum Täter“. Kämpfte sich raus, wollte es. Was auch immer. Er wollte es. Das machte ihn für sein Umfeld, insbesondere seine Kochkumpanen zu keinem geliebten Kollegen. Er war rau, wird gut und gerne als »Arschloch« bezeichnet. Drängte sich nach vorne, manipulierte. 

Doch sein erstes improvisiertes Gericht aus der vom Jobcenter vermittelten Kochausbildung: Feldsalat mit Feigen und karamellisierten Walnüssen. Begonnen mit einem Stift, einem Zettel und der Frage: „Was mag ich eigentlich?“. Es war die Erfüllung des Auftrages seines Lehrmeisters: „Kocht ein eigenes Gericht. Nennt mir die Zutaten.“

 

»Sparks«

 

In den Jahren hat sich Raue weiterentwickelt. Als inspirierenste Erfahrung nennt er seine erste Reise nach Asien. Hier, so sagt er, hat er sich das erste Mal gefunden: In den Feuern der Woks, der Schärfe der Chilis, der Knusprigkeit des Fleisches, dem knackenden Gemüse. Die Aromen Thailands, die Präzision Japans, die Wildheit Chinas. Zerstört, streicht und schafft Neues. Denkt visionär und progressiv. Seine Bezeichnungen sind einfach, schlicht, elegant. So heißt das aktuelle Menü: Kollibri. Dazu bietet er gesellschaftlich zeitgemäß einen veganen Lunch und ein ebenso pflanzliches Menü an. In Letztere arbeitet das Team mit den Aromen Asiens: Mit Wasabi, Reisessig und Wasserkresse, Limette, Ananas, Banane, Mango und Kokosnuss. Dazu kombiniert – Karotte, schwarzer Trüffel, Gurke, Karamell (…wir erinnern uns an die Anfänge).

Mittlerweile sieht man Raue in zahlreichen kommerziellen Fernsehshows auf VOX, Netflix,Sat1. Sein Restaurant TIM RAUE verfügt über zwei Michelin Sterne, sahnte das beste Restaurant des Jahres 2019 ab und ist stetiger Platzwärmer im Ranking der 50 besten Restaurants der Welt (The Worlds 50 Best Restaurants), aktuell Platz 31.

Bis heute schert er sich nicht darum, was andere von ihm denken. Mag nach außen unhöflich, arrogant, protzig wirken. Was ihn auszeichnet ist Ehrlichkeit, Authentizität und Liebe zu dem, was er tut. Bezeichnet sich selbst als »Egozentriker«, jedoch per definitionem: „Ein Egozentriker ist jemand, der sich sein eigenes Universum schafft, in dem er selbst der Mittelpunkt ist“ (T. Raue). Auch das macht Tim Raue übrigens sympathisch: Seine Genauigkeit, bei Essen und Sprache. Ja, natürlich ist es die vom Duden beschriebene »Ichbezogenheit«. Doch warum soll das an sich etwas Schlechtes sein? Das Herüberspähen in Nachbars Garten verliert seinen Reiz.

 

Heute

 

Raue ist ein Exempel, wie uns das Entdecken fremder Länder und Kulturen grundlegend transformieren kann. Es ist nicht schlicht Station des Lebenslaufs. Heute hat der Meister vier Restaurants, ist mit Chefredakteurin Katharina Wolschner verheiratet.

Anmerkung: Ist man in Berlin und möchte sein Geld für Genuss, Erleben, Inspiration, Kunst und eine bleibende Erinnerung ausgeben, nur zu: Rudi-Dutschke-Straße 26, 10969 Berlin. Zugegebenermaßen, „billig“ ist es nicht, die Atmosphäre allerdings locker und leger. Nach dem Motto „Zieht an, was ihr wollt“ – genauso wie Raueist: Lebt seine Freiheit und gibt Freiheit.

Autorin: Lea Katharina Nagel 

 

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